Von Ruth Waldmann, MdL, pflegepolitische Sprecherin der BayernSPD-Landtagsfraktion
Wir wollen die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung umgestalten. Dafür müssen einerseits die Beiträge steigen, andererseits der Kreis der Beitragszahler deutlich erweitert werden. Ebenso wie die Krankenversicherung wollen wir auch die Pflegeversicherung in eine Bürgerversicherung umwandeln, in die aus allen Einkünften Beiträge fließen. Bei genügend Einnahmen kann die Pflege ohne finanzielle Belastung der Betroffenen solidarisch finanziert werden. Wir wollen, dass bei steigenden Kosten in der Pflege auch die Leistungen aus der Pflegeversicherung kontinuierlich steigen.
Wir wollen vermeiden, dass immer mehr Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die Einkommensgrenze, ab der Kinder für ihre Eltern Unterhalt bezahlen müssen, muss angehoben werden. Um dem Wunsch vieler Pflegebedürftiger nach einem Leben und älter werden in den eigenen vier Wänden zu entsprechen, möchten wir die ambulanten Leistungen weiter denen im stationären Bereich angleichen.
Seit 2005 gibt es keine staatliche Investitionsförderung mehr für notwendige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sanierungsbedürftiger Altenhilfeeinrichtungen. Sind betrieblich bedingte Investitionskosten der Heime nötig – zum Beispiel für Erhalt und Renovierung von Gebäuden – können Heimträger diese Kosten auf die BewohnerInnen umlegen. Nach entsprechenden Baumaßnahmen steigen daher die Pflegesätze für die pflegebedürftigen BewohnerInnen zum Teil deutlich an. Wir fordern daher, Investitionszuschüsse bei Sanierung von Pflegeeinrichtungen auch im Bestand wiedereinzuführen.
Wir wollen die Mittel für den altersgerechten und barrierefreien Umbau von Wohnungen deutlich erhöhen. Außerdem sollten technische Assistenzsysteme von den Krankenkassen finanziert werden. Um den Wunsch vieler SeniorInnen nach einem selbstbestimmten Leben nachzukommen, müssen zudem verstärkt alternative Wohnformen, wie ambulant betreute Wohngemeinschaften, gefördert werden.
Die meisten Menschen möchten im Alter möglichst lange selbstbestimmt zuhause leben. Geriatrische Rehabilitationsmaßnahmen sind dabei ein entscheidender Baustein, denn sie tragen dazu bei, dass Pflegebedürftigkeit verzögert oder sogar verhindert wird. Wir fordern, dass die Pflegeversicherung bei der geriatrischen Reha in die Finanzierung einbezogen wird. Die Finanzierung der geriatrischen Rehabilitation muss durch auskömmliche Tagessätze stabilisiert werden. Wir wollen mehr Lehrstühle für Geriatrie an unseren Universitäten und einen Schwerpunkt Geriatrie in der fachärztlichen Weiterbildung in der inneren Medizin und der Allgemeinmedizin.
Derzeit sind die Angebote der ambulanten und stationären Altenpflege weitestgehend nicht oder nicht ausreichend für die Lebenswelten schwuler Männer und lesbischer Frauen sensibilisiert. Pflegebedürftige Lesben und Schwule müssen, wenn sie ins Pflegeheim ziehen, ihr vertrautes Umfeld, in dem sie sich mit ihrer sexuellen Orientierung eingerichtet haben und vor Diskriminierung sicher fühlen, verlassen. Wir wollen den „Prüfleitfaden für Einrichtungen der Pflege und Menschen mit Behinderungen in Bayern“ so überarbeiten, dass die spezifische Situation von schwulen und lesbischen Pflegebedürftigen berücksichtigt wird. Die Lebenssituation von Lesben, Schwulen und Transgendern sowie deren historische Diskriminierung soll in die Lehrplanrichtlinien für die Berufsfachschule Altenpflege aufgenommen werden.
Wir fordern eine Personalbemessung für Fachkräfte. So hilfreich es ist, wenn Pflegeassistenten oder anderes Hilfspersonal bei der Versorgung mit einspringt, so wenig können diese die fehlenden Fachkräfte ersetzen. Für einen höheren Fachkraftschlüssel in den Krankenhäusern braucht es mehr Geld durch eine pflegeorientierte Reform des DRG-Systems. Wir wollen die Bezahlung des Pflegepersonals deutlich verbessern. Da viele - vor allem private - Einrichtungen keine tariflichen Regelungen haben, ist ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag dringend notwendig. Darin sollte auch die gleiche Bezahlung in der Kranken- und Altenpflege realisiert werden.
Auch in Pflegeberufen wird die Weiterbildung künftig eine größere Rolle spielen müssen. Wir wollen daher einen gesetzlichen Anspruch von ArbeitnehmerInnen auf Weiterbildung. Die Finanzierung der Weiterbildung muss durch die Einrichtungen und durch staatliche Unterstützung etwa in Form eines Meisterbonus gesichert sein.
Der allergrößte Teil der Pflege geschieht verantwortungsvoll und mit sehr großem Engagement. Immer wieder werden aber Fälle von Missständen oder von Pflegebetrug bekannt. Wir wollen eine Kultur des Hinschauens und nicht des Misstrauens schaffen. Wir unterstützen den „10-Punkte-Plan zur Prävention und Bekämpfung von Abrechnungsbetrug in der Pflege“ der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Pflege- und Krankenkassenverbände. Wir sind darauf angewiesen, dass Missstände auch durch interne Hinweisgeber („Whistleblower“) aufgedeckt und gemeldet werden.
Whistleblower dürfen wegen ergangener Hinweise nicht durch den Arbeitgeber benachteiligt werden, und sie sollen das Recht erhalten, sich an betriebsinterne oder externe Stellen zu wenden. Wir wollen, dass Hinweisgeber auch in der Pflege besser geschützt werden.
Knapp jeder Zwanzigste der 40- bis 85jährigen pflegt einen Familienangehörigen. Für die pflegenden Angehörigen stellt das oftmals eine große Herausforderung dar – psychisch, körperlich und auch was die Organisation angeht. Pflegelotsen sollen als qualifizierte AnsprechpartnerInnen für Ihre pflegenden KollegInnen fungieren und sie dabei unterstützen, Pflege, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Wir fordern den verstärkten Auf- und Ausbau von Pflegestützpunkten und die Qualifizierung von betrieblichen Pflegelotsen im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft.
Wir fordern steuerlich finanzierte Lohnersatzleistungen, ähnlich dem Elterngeld, um Pflegende bei der Vereinbarung von Pflege und Beruf besser zu unterstützen, und wir wollen eine bessere Anrechnung von Pflegezeiten bei der Rente. Wir wollen passgenaue Unterstützungsangebote und Beratung speziell für Familien von pflegebedürftigen Kindern. Wir müssen auch dafür sorgen, dass der Übergang von chronisch erkrankten Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin – die sogenannte Transition – ohne Stolpersteine und Versorgungslücken gelingt. Etwa fünf Prozent der 12-17jährigen jugendlichen sind regelmäßig in Pflegeaufgaben eingebunden. Wir setzen uns daher ein für Beratungs- und Unterstützungsangebote speziell für junge Pflegende.
Eine wichtige Entlastungsfunktion für pflegende Angehörige hat die Kurzzeitpflege. Wir wollen einen umfassenden und bedarfsgerechten Ausbau von Entlastungsangeboten und Hilfen im Alltag. Pflegende Angehörige müssen entlastet werden, dazu müssen die Kurzzeitpflegeplätze ausgebaut werden. Wir fordern deshalb eine Investitionskostenförderung für solitäre Kurzzeitpflegeplätze in Höhe der Aufwendungen.
Ehrenamtlich Engagierte in den pflegerischen Versorgungsmix einzubinden ist zukunftsträchtig, hier gibt es Potential und auch viel Engagementwillen in der Bevölkerung. Wir möchten Ehrenamtliche in den Versorgungsmix integrieren. Dabei müssen aber die Rahmenbedingungen für die Ehrenamtlichen stimmen. Wir brauchen Koordinatoren, Mediationsangebote und Ehrenamt fördernde Weiterbildungsangebote – das ehrenamtliche Engagement muss einen professionellen Rahmen erhalten.
Mehrgenerationenhäuser sind Orte der Begegnung und des Miteinanders der Generationen. Dazu gehören Betreuungs- oder auch Lernangebote für Kinder und Jugendliche, Weiterbildungskurse für Erwachsene, Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten, aber auch Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderung und deren Angehörige. Wir setzen uns dafür ein, die Förderung von Mehrgenerationenhäusern zu verbessern und zu verstetigen.