Unsere Ziele in der Inklusionspolitik

Positionen einer aktiven Politik für Menschen mit Behinderung - von Ruth Waldmann, MdL, Sprecherin für Inklusion und Menschen mit Behinderung

Unsere Anträge und parlamentarischen Initiativen...

...aus den Bereichen Gesundheit und Pflege finden Sie unter diesem Link auf den Seiten des Bayerischen Landtags - nach Aktualität sortiert und mit dem jeweiligen Abstimmungsergebnis im Landtag.

Wirksamer „Aktionsplan Inklusion“

Den „Aktionsplan Inklusion“ der Bayerischen Staatsregierung halten wir in seiner Intention und seinen Möglichkeiten für ein nützliches Instrument – in seiner Ausgestaltung sehen wir jedoch derzeit noch große Mängel, die dringend behoben werden müssen: Wir wollen einen stärkeren Bezug der Ziele und Maßnahmen des Aktionsplans zu den Artikeln der UN-Behindertenrechtskonvention. Es muss deutlich herausgestellt werden, mit welchen Artikeln sich der Aktionsplan befasst, weshalb diese aufgegriffen und andere weggelassen wurden. Aus der Bestandsaufnahme des Aktionsplans müssen konkrete Handlungsfelder und Forderungen abgeleitet sowie Verantwortlichkeiten und Zeitvorgaben genannt werden. Es müssen Ziele mit Maßnahmen benannt, Zwischenziele zur Feststellung von Umsetzungsfortschritten festgelegt und Indikatoren zur Feststellung der Zielerreichung definiert werden.

Wohnen

Jeder Mensch muss frei über Wohnort und Wohnform entscheiden dürfen. Wir finden, dass dies ohne Einschränkung auch für Menschen mit Behinderung gilt. Wir werden uns auf Bundesebene für die vollständige Aufhebung des Kostenvorbehalts bei ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe einsetzen. Wir werden uns für bessere öffentliche Förderprogramme zum Ausbau barrierefreier Wohnungen einsetzen. Wir wollen die Rückbaupflicht für barrierefreie Umbauten in Mietwohnungen aufheben. Wir wollen, dass die Leistungen zum barrierefreien Umbau von Wohnungen gemäß § 40 Abs. 4 SGB XI auch Personen mit Behinderung zur Verfügung stehen, die keine Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Wir wollen, dass für alle Menschen mit Behinderung spezielle Fördermöglichkeiten geschaffen werden, damit sie in der Lage sind, individuell angepasstes Wohneigentum zu erwerben und damit Altersvorsorge treffen können. Wir wollen die steuerliche Gleichstellung aller Menschen mit Behinderungen bei baulichen Veranschlagungen. Insbesondere Menschen mit einer psychischen Behinderung stehen bei der Wohnungssuche vor großen Problemen. Wir wollen, dass die Beratung über Wohnmöglichkeiten und die Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung flächendeckend ausgebaut wird. Bei der Vergabe von Wohnraum soll verpflichtend der Platz für eine menschliche oder tierische Assistenz berücksichtigt werden.

Bildung

Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, mit denen gemeinsames Lernen von Kindesbeinen an gelingen kann und bis ins hohe Alter reicht. Übergreifend für alle Bildungsorte und Bildungsinstitutionen fordern wir eine konzeptionelle Weiterentwicklung zu inklusiven Einrichtungen. Wir wollen den finanziellen und personellen Ausbau der interdisziplinären Frühförderstellen vorantreiben. Um den Verwaltungsaufwand und den wirtschaftlichen Druck auf die Frühförderstellen zu reduzieren, wollen wir die bisher vorgeschriebene Finanzierung gegen Leistungsnachweis in eine pauschalisierte Finanzierungsform überführen. Für die Kindertageseinrichtungen wollen wir höhere Gewichtungsfaktoren für Kinder mit Behinderung schaffen. Wir wollen Kinder mit Behinderung individuell fördern, indem die Kitas für Fachkräfte anderer Professionen geöffnet werden. In Hochschulen und Universitäten wollen wir für umfassende (u.a. räumliche, visuelle und auditive) Barrierefreiheit sorgen. Zudem wollen wir den flächendeckenden Ausbau des Beratungssystems für Studierende mit Behinderung vorantreiben und eine zentrale Organisation schaffen, die einheitliche verlässliche Beratungsstrukturen und Unterstützung aus einer Hand für Studierende mit Behinderung ermöglicht. Daneben wollen wir eine Erweiterung der Mitspracherechte und Kompetenzen der Behindertenbeauftragten sicherstellen. Die Erwachsenenbildung ist von der inklusiven Entwicklung bislang noch weitestgehend ausgenommen. In Einrichtungen der Erwachsenenbildung wollen wir die inklusionsorientierte Fachkompetenz des Personals schulen und für ein erweitertes Angebot, beispielsweise in Einfacher Sprache sorgen.

Arbeit

Arbeit ist einer der Kernfaktoren für eine gelingende Inklusion. Von den Menschen ohne Behinderung können drei Viertel ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestreiten, von den Menschen mit Behinderung ist es nur ein Drittel. Um dies zu ändern, wollen wir die Zahl der Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung erhöhen und ihre beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten verbessern. Um für jeden Menschen je nach Lebenssituation ein möglichst passendes Arbeitsumfeld zu finden, wollen wir flexible Übergänge zwischen den Beschäftigungssystemen „geschützte Beschäftigung“, „unterstützte Beschäftigung“ und „allgemeine Beschäftigung“. Durch das „Budget für Arbeit“ erhalten Arbeitgeber, die einen Menschen mit Behinderung aus einer Werkstatt übernehmen, einen Zuschuss. Dieser Zuschuss ist derzeit zu niedrig, um auch Beschäftigungsanreize für höherqualifizierte und damit besser bezahlte Menschen mit Behinderung zu schaffen. Wir wollen den Zuschuss erhöhen und prüfen, ob das Budget für Arbeit perspektivisch auch auf weitere Personengruppen wie teilzeit oder geringfügig Beschäftigte ausgedehnt werden sollte.

Da die Quote der Beschäftigten mit Behinderung bei privaten Arbeitgebern immer noch deutlich niedriger ist als bei öffentlichen Arbeitgebern, wollen wir die Bemessungsgrenze für die Ausgleichsabgabe auf 6 Prozent erhöhen. Auch private Arbeitgeber sind in der Pflicht, Menschen mit Behinderung einzustellen. Wir wollen gesetzlich verankern, dass Firmen und Unternehmen, die tatsächlich die vorgeschriebene Anzahl von Menschen mit Behinderung beschäftigen, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen bevorzugt werden. Wir wollen Programme und Konzepte zur Unterstützung von Arbeitssuchenden mit Behinderung nicht nur als Sonderprogramme, sondern dauerhaft etablieren. Speziell für Menschen mit seelischen Behinderungen fordern wir den Ausbau von „Supported Employment“. Ziel der „unterstützten Beschäftigung“ ist es, Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung jenseits der Werkstätten zu ermöglichen und vor allem auch zu erhalten. Eine entscheidende Voraussetzung für Inklusion am Arbeitsplatz ist die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen. Wir wollen Barrierefreiheit von Arbeitsstätten in die Bayerische Bauordnung aufnehmen und dafür geeignete Förderprogramme bereitstellen. Durch eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung wollen wir die Verpflichtung zur Barrierefreiheit von der tatsächlichen Beschäftigung von Menschen mit Behinderung entkoppeln.

Finanzielle Absicherung

Wir wollen den Nachteilsausgleich, den bisher schon blinde, taubblinde und hochgradig sehbehinderte Personen erhalten, auf alle schwerbehinderten Menschen ausweiten. Durch das Bundesteilhabegesetz wurden die Bestimmungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen für Personen, die Eingliederungshilfe beziehen, deutlich verbessert. Die Vermögensfreigrenze wurde sehr deutlich von 2.600 auf 52.000 Euro angehoben. Wir wollen eine weitere Anhebung auf 100.000 Euro. Wir wollen die Ungleichstellung zwischen alten und neuen Erwerbsminderungsrenten abschaffen und dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung in der behinderungsbedingten Erwerbsunfähigkeit menschenwürdig teilhaben können. Wir wollen die Zugangskriterien für das Persönliche Budget deutlich erleichtern, damit alle Menschen mit Behinderungen individuelle Assistenzleistungen zur Teilhabe in Anspruch nehmen können.

Sport und Freizeit

Wir fordern, dass Menschen mit Behinderung als Konsumierende, als Kulturschaffende und als Mitglieder von Steuergremien gleichberechtigt am kulturellen Leben teilhaben können. Die vergaberechtlichen Bestimmungen im Freistaat Bayern wollen wir so ändern, dass die Landesbehörden beim Ausbau kultureller und medialer Infrastruktur die barrierefreie Erreichbarkeit und Nutzung durch Menschen mit Behinderung berücksichtigen.

Wir wollen erreichen, dass der barrierefreie Ausbau kulturell genutzter Räume wie Bibliotheken, Theater, Kinos, Konzertsäle stärker gefördert wird. Gleiches gilt für den Auf- und Ausbau einer barrierefreien und behindertengerechten touristischen Servicekette, damit Menschen mit Behinderung die ganze Bandbreite an Reisezielen und –möglichkeiten zur Verfügung steht. Dafür wollen wir Standards einer barrierefreien Beherbergung in der Bayerischen Beher-bergungstättenverordnung festschreiben.

Die Mittel zur Sportförderung des Freistaates Bayern sollen verstärkt für Menschen mit Behinderung, für den barrierefreien Ausbau von Sportstätten, für inklusive Angebote und die gleichberechtigte Teilhabe von Kindern mit und ohne Behinderung an Spiel-, Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten eingesetzt werden. Viele Menschen mit Behinderung nutzen tierische Assistenz, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir wollen, dass Assistenzhunde wie jedes andere Hilfsmittel überallhin mitgenommen werden können.

Spezielle Gruppen von Menschen mit Behinderung

Frauen und Mädchen mit Behinderung brauchen unseren besonderen Schutz. Wir wollen dazu Programme in den Bereichen Gewaltprävention, Gleichberechtigung, Partnerschaft, Kinderwunsch und Sexualität auflegen. Angebote der Elternassistenz sollen finanziell abgesichert und Beratungsangebote ausgebaut werden. In einer Öffentlichkeitskampagne soll die Bevölkerung über das Recht von Menschen mit Behinderung auf sexuelle Selbstbestimmung und Partnerschaft informiert und die genannten Beratungsangebote publik gemacht werden. Frauenhäuser sollen mit staatlicher Unterstützung umfassend barrierefrei und behindertengerecht ausgebaut und die Mitarbeiterinnen entsprechend geschult werden. Rund 15 Prozent der Asylbewerber und Flüchtlinge sind Menschen mit Behinderung.

Wir fordern den gleichen Zugang zu Hilfsangeboten und Leistungen, wie er Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft zusteht. Dies impliziert eine umfassende medizinische und gesundheitliche Versorgung, die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen, das Recht auf (psycho-)therapeutische Maßnahmen, Dolmetscherdienste oder die Gewährung notwendiger Hilfsmittel oder Assistenzleistungen. Lesben, Schwule, Trans- und intersexuelle Menschen mit Behinderung erleben oft eine doppelte Diskriminierung. Ihr Weg zur Identitätsfindung ist besonders steinig.

Wir wollen, dass Einrichtungen der Behindertenhilfe im Hinblick auf sexuelle Orientierung und Identität sensibilisiert werden. Gleiches gilt für die Beratungsstellen für homo-, bi-, trans- und intersexuelle Menschen, welche sich für das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderung öffnen sollen. Wir fordern die Aufnahme von Regelungen zum Schutz von vulnerablen Menschen mit Behinderung in das Bayerische Pflege- und Wohnqualitätsgesetz und in den Prüfleitfaden der Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA; früher: Heimaufsicht).

Seelische Behinderungen besser berücksichtigen

In der öffentlichen Diskussion über die Umsetzung der UN-BRK werden Menschen mit seelischer Behinderung und psychischen Erkrankungen häufig vergessen. In allen Punkten des Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-BRK wollen wir seelische Behinderung berücksichtigen und Verweise darauf explizit formulieren. Die psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit einer psychischen Erkrankung oder Behinderung wollen wir ausbauen. Der Weg zur Inklusion muss in jedem Fall mit der Sensibilisierung der Bevölkerung für psychische Erkrankungen und die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen beginnen. Der Fokus darf nicht nur auf der rein pflegerischen Versorgung, sondern muss auch auf den Erfordernissen der gesellschaftlichen Teilhabe liegen. Barrierefreiheit in Arztpraxen und in stationären Einrichtungen wollen wir umfassend, d.h. auch für Menschen mit einer seelischen Behinderung, fördern. Psychisch Kranke und seelisch Behinderte beantragen häufig entweder aufgrund von eingeschränkter Selbstwahrnehmung oder aus Angst vor Stigmatisierung keinen Behindertenausweis. Dieser ist aber Voraussetzung für einen Teil der Hilfsangebote. Dem wollen wir durch andere Formen der Anerkennung der Beeinträchtigung Rechnung tragen. In den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK wollen wir Maßnahmen zur Sicherung des Zugangs in die Erwerbsarbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung sowie gegen die chronische psychische Überlastung im Arbeitsleben integrieren.

Rechtliche Situation von betreuten Menschen verbessern

Wir fordern eine Sicherstellung der hohen Qualität der rechtlichen Betreuung von Menschen mit Behinderungen. Die Einführung, Fortbildung und Beratung der ehrenamtlichen BetreuerInnen fällt in den Aufgabenbereich der Betreuungsvereine und ist unerlässlich für die Gewährleistung einer hohen Beratungsqualität und angemessenen Unterstützung der Ehrenamtlichen. Dies braucht aber auch eine ausreichende Finanzierung! Damit die Betreuungsvereine ihren verantwortungsvollen Aufgaben in diesem Bereich adäquat nachkommen können, fordern wir die dringend überfällige Erhöhung der Mittel für die Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine. Wir fordern das Wahlrecht auch für Menschen, die unter Betreuung stehen. Nach unserem Verständnis von Demokratie, Inklusion und Gleichberechtigung darf niemand von dem Recht sich einzubringen ausgeschlossen sein.